Samstag, 31. Dezember 2016

Laos

Vientiane und Luang Prabang


Bereits in Bodhgaya änderten wir unseren Plan von Indien anstatt nach Myanmar zuerst nach Laos zu fahren. Der Grund dafür waren die Feiertage über Weihnachten und Neujahr, wo vor allem in Myanmar die Preise extrem steigen und man kaum eine vernünftige Unterkunft bekommt.
Am 13. Dezember 2016 flogen wir also um 01:55 von Kolkata nach Bangkok und von dort nach sechs Stunden Aufenthalt weiter nach Vientiane, der Hauptstadt Laos.
Da wir nun beide mehr krank als gesund waren, wollten wir uns hier einmal ein paar Tage richtig erholen. Zum Abendessen (das Restaurant im Hotel war noch nicht eröffnet) holte uns Josef jeden Tag einen Burger mit Pommes, nicht so gesund, aber wieder einmal gut!!!
Viel zu sehen gibt es in dieser Stadt nicht. Es ist sauber, viel sauberer als in Indien (was aber keine große Leistung ist). Die Stadt strahlt eine, im Vergleich zu den indischen Städten, entspannte, fast beschauliche Ruhe aus, die Gastronomie macht einen schon fast europäischen Eindruck, was sich auch preislich zeigt. So kann man sich ohne weiteres einen Hummer um knapp 200,- € bestellen, wenn man will.
Wir hatten ein großes Zimmer in einem neuen Hotel, das noch nicht richtig fertig war und bezahlten pro Nacht zwischen 50 und 60 (Wochenende) Dollar incl. Frühstück.
Nach drei Tagen im Zimmer ging es uns besser (danke Margrit!) und wir erkundeten die Stadt, besuchten einige Tempel und genossen nach langer Zeit wieder ein Bierchen (nur ein kleines, mehr hatte mir Margrit nicht erlaubt;) ).
Am nächsten Tag besuchten wir den 4 km entfernten Pha That Luang (Große Stupa), das nationale Heiligtum Laos, umgeben von einigen Tempeln.
Auch ein Friseurtermin war wieder einmal dringend notwendig, also gönnte ich mir einen Tag mit Friseur, Maniküre, Massage... während Josef weitere Tempel abklapperte (dabei wäre ein Friseurtermin für ihn auch kein Luxus mehr ;) ).
Nach einer entspannten Woche in Vientiane fuhren wir mit dem Bus in 11 Stunden weiter in Richtung Norden nach Luang Prabang. Die Stecke führt über eine kurvenreiche Straße, vorbei an kleinen Dörfern und einer wunderschönen bewaldeten Berglandschaft.
Luang Prabang, eine kleine Stadt am Mekong mit vielen Tempelanlagen (angeblich 35) gehört seit 1995 zum Weltkulturerbe und ist sehr touristisch, aber gemütlich.
Es gibt jede Menge Guesthouses, Restaurants, Cafés und kleine Geschäfte. Am Nachtmarkt kann man an den vielen Ständen Souvenirs und Textilien von zweifelhafter (chinesischer?) Qualität kaufen. Handgewebte Produkte aus Seide und Baumwolle von Frauen (nur Frauen weben in Laos) aus Laos gefertigt gibt es in kleinen Geschäften, sie kosten aber nicht wenig (Seidenschals zwischen 100,- 400,- Euro).
Wir wohnten sehr zentral im Lanexang Nocknoy Guesthouse in einem einfachen Zimmer und zahlten mit Frühstück €50,- (allerdings zur Weihnachtszeit)!
Die Tempelanlagen hier sind wirklich sehr schön, aber wieder anders, als in den Ländern zuvor. Aber auch hier sind sich die einzelnen Tempel sehr ähnlich und der Besuch einiger weniger war für mich ausreichend ;).
Von 21. - 23. Dezember besuchte ich einen Seiden-Webkurs 2 km außerhalb in der wunderschönen Anlage Ock Pop Tok direkt am Mekong.
Am ersten Tag, nach einer allgemeinen Einführung durfte ich zuerst spinnen, dann die Seide über einen Holzrahmen wickeln, danach wurden bestimmte Teile fest abgebunden, um so beim Färben ein Muster in den Seidenfaden zu bekommen (Ikat-Technik). Im Anschluss hackte ich Safranholz für die rote Farbe und zerkleinerte getrocknete Teakblätter für die Farben Beige und Creme. Die zerkleinerten Teile wurden dann in Wasser gekochten und die Seide darin gefärbt. Über Nacht konnte alles trocknen und am zweiten Tag musste ich zuerst die gefärbte Seide wieder spinnen und anschließend durfte ich endlich weben. Am Ende des dritten Tages war mein 180 cm langer Seidenschal und der Seidenstoff für einen Polster fertig.
Der Kurs kostete € 185,- inklusive Seide, Mittagessen, Getränke und Transport aus dem Ort und zurück. Nicht gerade billig, aber für mich eine tolle Abwechslung. Ich hatte eine Weberin für mich alleine, die ständig darauf achtete, dass ich nicht zu viele Fehler mache...
In der Anlage werden Frauen aus den umliegenden Dörfern beschäftigt, die hier und auch bei sich zu Hause weben. Die Produkte werden hier bzw. in dem Geschäft direkt in Luang Prabang zu fairen Preisen verkauft von denen die Frauen einen guten Teil bekommen.
Man kann sich die Anlage jederzeit ansehen, es gibt kostenlose Führungen und Erklärung zur Seidenherstellung und zum Weben. Auch werden Kurse zum Färben von fertigen Seidenschals und T-shirts, sowie zum Bambusflechten angeboten.
Es werden auch einige Zimmer vermietet, die aber nicht billig sind (75,- - 125,- €).
Für den Heiligen Abend wurde ein Weihnachtsdinner angeboten mit Lagerfeuer, Glühwein, Musik… Das wollten wir uns nicht entgehen lassen und ich reservierte gleich einen Tisch.
Am 24. wurden wir dann mit einem Tuk-tuk um 7 Uhr im Ort abgeholt und als wir im Ock Pop Tock ankamen, war alles bereits für das Fest vorbereitet. Fackeln beleuchteten den Zugang ins Gelände, ein Lagerfeuer loderte und spendete angenehme Wärme, es roch nach Glühwein und unser Tisch unter einer Laube war gemütlich gedeckt. Es war feierlich ruhig, verdächtig ruhig, denn außer uns nahm nur noch ein Paar aus Deutschland am Dinner teil. Momentan waren wir ein wenig überrascht, waren wir doch auf viele Leute eingestellt gewesen. Silvia und Jörg, den Deutschen, ging es wie uns. Der Manager des Restaurants meinte jedoch, so hätten die Bediensteten Zeit, sich nur um uns zu kümmern und wir sollten uns wie zu Hause fühlen. Also setzten wir uns an einen Tisch neben dem Lagerfeuer, tranken den ersten Glühwein des Jahres und unterhielten uns mit Silvia und Jörg sehr gu
Das Essen war köstlich, es gab auch trinkbaren Wein, und so wurde der Abend zu einem schönen Heiligen Abend, unserem ersten außerhalb Österreichs.
Als wir dann um 23:30 Uhr wieder im Zimmer waren, konnten wir über Skype noch an der Bescherung in Bischofshofen teilhaben..
Während ich mit dem Weben beschäftigt war, lieh sich Josef für zwei Tage ein Moped aus und erkundete Luang Prabang und die nähere Umgebung, besuchte einige Bergdörfer und fuhr zum bekannten und sehr schönen, allerdings total überlaufenen Wasserfall Kuang Si.
Am letzten Tag in Luang Pabang fuhren wir mit einem kleinen Boot auf die andere Seite des Mekongs. Hier ist alles noch ganz einfach, Staubstraße anstatt Asphalt, es gibt Hütten aus Holz und Bambus und man spürt die Einfachheit des Lebens ohne touristischer Einrichtungen.

Am 26.12.16 fuhren mit einem Minibus weiter nach Nong Kiao.






Tempel in Vientiane






















Große Stupa













Erstes Bierchen 



Luang Prabang





























Cafe am Ufer Nam Ou kurz vor der Mündung in den Mekong



In der Weberei
















Weihnachten im Ock PopTok



Luang Prabang






Fahrt über den Mekong



Auf der anderen Seite des Mekong















Samstag, 24. Dezember 2016

Weihnachten

Liebe Freunde!


Heute ist der 24. Dezember, Heiliger Abend und wir sitzen auf der Terrasse unseres Guesthouses in Luang Prabang in Laos.
Das Wetter ist herrlich, strahlender Sonnenschein bei 30 Grad.
Nicht sehr weihnachtlich, wenn man "österreichisch" denkt. Das kann man auch nicht erwarten, wenn man sich in einem buddhistischen Land aufhält.
Aber hier hat man sich auf die vielen westlichen Touristen eingestellt und überall sieht man kleinere und größere kitschig dekorierte Plastikbäume,  Banner mit "Merry Christmas" und einige Kellner servieren mit Weihnachtsmannmützen am Kopf. Das Ganze wirkt aber auf mich nicht aufdringlich und vermittelt, trotz des Kitsches, etwas Weihnachtliches. Das Beste ist, dass hier niemand gestresst wirkt, und wir sind sowieso entspannt.
Den Abend werden wir in der wunderbaren Anlage Ock Pop Tok direkt am Mekong außerhalb Luang Prabangs, in der ich die letzten drei Tage einen Webkurs besucht habe, bei einem Weihnachtsdinner verbringen. Es wird auch ein Lagerfeuer geben und Glühwein (!), den ersten, den wir in diesem Jahr trinken werden.
Soweit ist das ja alles ganz angenehm, trotzdem fehlt uns natürlich etwas. Das Fehlende ist aber nicht der Sinn des Weihnachtsfestes, denn, da wir uns in fremden Ländern verstärkt mit anderen Religionen beschäftigen, denken wir auch vermehrt über die eigene Religion nach. Was fehlt sind ein adventliches Treffen mit unserem Pfarrer Josef, Maria, Angelika und Fritz, die Musik, die Adventmärkte, aber vor allem die Familie und Freunde, die gemütlichen Abende mit Stephan und Dari, Treffen mit Josefs Geschwistern und Familien, das Singen mit Papa, Mama und Elfi...
Dank der modernen Technik werden wir jedoch am Abend über Skype ein bisschen teilhaben am Fest und, neugierig wie ich bin, auch sehen, was sich unsere Lieben einfallen haben lassen. Die Geschenke müssen ja selbstgemacht sein und es ist jedes Jahr total lustig und spannend, was jeder einzelne so produziert hat.
So, nun werden wir noch ein bisschen durch die Gegend bummeln, ein Shirt für Josef kaufen und uns eine Massage gönnen.

Euch allen wünschen wir von Herzen ein schönes, besinnliches und friedliches Fest!
Renate und Josef

P.S.: Über Fotos von euch freuen wir uns sehr!!!




Josef und der Weihnachtsstern




Frohe Weihnachten!







Montag, 19. Dezember 2016

Erlebnis Indien

Erlebnis Indien 


Kolkatta, 20 Uhr, Ankunft im Hotel im Norden der Stadt nach 1 1/2 Stunden Fahrt, großteils im Stau, bis hierher, wir sind schon etwas genervt und müde. Doch wir haben ein Problem, ein Geldproblem. Keine einzige Rupie in der Tasche sitzen wir in Indien im Hotel und wissen eigentlich nicht wie es weitergehen soll. 

22  Uhr, der Portier teilt uns mit, dass es nun doch Geld am Bankomaten geben soll und zeigt mir den Weg dorthin. 2000 Rupien (28 €) können heute Abend noch abgehoben werden. Morgen wieder Zweitausend. 
Es ist dunkel, weit dunkler als wir es gewöhnt sind mitten in einer Stadt, nur die lauten Autos und Rikschas werfen manchmal spärliches Licht in die Ecke wo versteckt der Bankomat steht. Und ich bin nicht alleine, reihe mich ein in die Schlange der Menschen welche versuchen Geld fürs tägliche Leben zu bekommen. Das Weiße in den Augen verrät die neugierigen, auf mich gerichteten Gesichter in der Dunkelheit. Nach vorne wird die Schlange nur langsam kürzer, nach hinten schnell länger.
Ein kleines Mädchen sitzt etwas abseits mit ihren zersausten Haaren am Gehsteig und weint. Zarte Tränen befeuchten ihre Wangen. Als ich sie entdecke versteckt sie ihren Kopf verschämt zwischen ihren Händen und Beinen und schluchzt weiter. Einige Minuten später erscheint eine junge Frau, vermutlich ihre Mutter, ausgerüstet mit einem Jutesack voll mit ihren Habseligkeiten. Daraus holt sie einen kleinen Reisigbesen, säubert damit den Gehsteig und richtet für diese Nacht ihre Schlafstätte her. 4 Quadratmeter Beton gehören ihnen in dieser Nacht und keiner macht sie ihnen streitig. 
Die Menschen in der Schlange mit dem Geldproblem registrieren sie gar nicht, schauen nicht einmal hin, auch nicht verstohlen. Nein, ich scheine nach wie vor das Interesse zu wecken. Es ist ungewöhnlich hier, wenn ein Fremder sich um Geld anstellt jedoch nichts Ungewöhnliches, wenn jemand auf der Straße schläft.  

Früher nächster Morgen in der selben Stadt. Mein gestriger Geldspender spukt heute kein Geld mehr aus. Auf der Suche nach einem anderen ATM finde ich mich abseits in einer Gasse wieder, welche gerade zum Leben erwacht und in mir Neugierde weckt. Kleine, mehr Hütten als Häuser, säumen links und rechts die schmale Straße. In vielen der Hütten stehen bunte Figuren aus Ton oder Mehlteig geformt, welche hier von den Bewohnern der Straße für ein hinduistisches Fest angefertigt werden. Im Vorbeigehen kann ich neugierig beobachten, wie die hier lebenden Menschen noch schlafen, sich waschen, ihre Notdurft verrichten, kochen, frühstücken, handwerken oder einfach nur dasitzen - und sie können mich beobachten. Und sie beobachten mich, können sehen wie unsicher ich mich hier fühle, fremd, eingedrungen in eine andere Welt, fehl am Platz. Komme mir provokant vor mit meiner teuren Kamera in der Hand, hier, in dieser einfachen Umgebung. Wie ein dunkler Schatten breitet sich meine Unsicherheit weiter aus, ich will dem entkommen, jedoch nicht weggehen. Denn so anders ist die Welt hier, sehe intensives Leben wie kaum je zuvor. 
Ich bewege mich langsam weiter, ein neues, von der Sonne gegerbtes Gesicht mit dunkelbraunen  Augen fokussiert mich. Ich will flüchten, versuche zu flüchten aus meiner Unsicherheit indem ich den Blick des alten Mannes standhaft erwidere. Will Zustimmung für mein Hiersein erhalten, indem ich wie ein Inder mit einem leichten Lächeln im Gesicht mit dem Kopf wackle. Es wirkt augenblicklich, der betagte Mann lächelt zurück, wackelt ebenfalls zwei dreimal mit dem Kopf und gibt mir damit meine Sicherheit zurück. Der von mir eingebildete  Schatten im Gesicht des Mannes verschwindet sowie die unsichere Dunkelheit der ganzen Straße. 

Mittagszeit im Bahnhofsviertel von Patna, Zwischenstation, noch bleibt ein wenig Zeit zu bleiben. Ich verlasse das einfache, aber saubere Straßenlokal, wo wir eine Kleinigkeit gegessen haben in Richtung eines kleinen Marktes. Wie so oft auf Reisen ist auch heute auf diesem Markt mein Fotoapparat das Bindeglied zwischen den fremden Menschen hier und mir. Bei Kindern aber auch Erwachsenen (meist Männern) weckt die Kamera Interesse und sie wollen oft von sich aus fotografiert werden um danach das Foto lachend zu bewundern.
Beim Retourweg huscht eine Gestalt am Boden an mir vorbei, bevor ich ein leises „PLEASE“ registriere. Ich drehe mich um und schaue in das Gesicht eines behinderten Jungen. Körperlich stark beeinträchtigt, nicht fähig aufrecht zu gehen sondern auf allen Vieren wie ein Tier sich fortbewegend hockt er vor mir. Die Augen glänzen, nachdem ich im eine Kleinigkeit gegeben habe. Ich gehe nachdenklich weiter, ein weiteres schüchternes „PLEASE“ lässt mich jedoch nochmals aufhorchen. Bittend gibt er mir zu verstehen, dass er fotografiert werden will. Im ersten Moment zögernd weil das nicht glaubend mache ich natürlich ein Foto von ihm.  Als ich nach einiger Zeit bereit bin mir das Foto  anzuschauen, blickt mir ein strahlendes und willensstarkes  Gesicht voller Zuversicht entgegen. Noch bin ich mir nicht sicher, aber nach meiner Wertvorstellung ist es angebracht das Foto zu löschen. Das Bild jedoch, den Augenblick selber habe ich in mir, unauslöschlich, unvergesslich. 

Viele Erlebnisse dieser Art prägen täglich meine Reise durch Indien, intensiv wahrnehmend beeindruckt mich das Erlebte, beschäftigt es mich oft auch noch Tage danach.  
Wenn unterwegs versuche ich bewusst hinzusehen, sehe dabei alte Menschen, spielende Kinder,  Kranke und Behinderte, fröhliche Gesichter, schlafende Hunde, magere und fette Kühe, schützende Häuser, Bretterbuden, Armut und Wohlstand nebeneinander.  Alles spielt sich auf der Straße ab und hat dort seinen Platz, fühlt sich an wie eine zufällig gereihte Perlenkette mit schönen, weniger schönen und hässlichen Perlen nebeneinander. Das eine stellt für das andere scheinbar kein Hindernis dar, alles fügt sich ineinander. Wie ein buntes Puzzle, in dem der oft unglaubliche Müll das fertige Bild wie ein Rahmen abrundet und man das falsche Gefühl hat, er gehöre einfach dazu. 

Das „durchschnittliche" Indien den Müll betreffen nochmals weit überbietend, so haben ich Bodhgaya erlebt. Siggerwiesen nix dagegen, das stellte Wolfgang bereits vor Jahren auf einer Reise durch Indien fest. Zum Weltkulturerbe ernannt der Mahaboddhitempel, wo Buddha vor langer Zeit zu seiner Erleuchtung gelangte, daher ist der Ort sozusagen ein Wallfahrtsort für alle gläubigen Buddhisten.   
Eigentlich keine Stadt sondern ein größerer Ort, wird mit den vielen Pilgern und Touristen nicht fertig, auch daher vermutlich Vermüllung Ende nie. 
Obwohl eigentlich eine funktionierende Mülltrennung vorhanden, denn Biomüll wird Tag und Nacht effizient vom Restmüll getrennt, sogenannte Müllschlucker arbeiten fleißig, praktische 24 Stunden am Tag und kümmern sich, sofern sie nicht gerader schlafen, vorbildlich um die Trennung des Biomülls vom Rest des Unrates. Die Rede ist von den Kühen, Hunden, Hühnern und Schweinen, welche vermutlich ohne die Müllberge nicht überleben würden.  Auch einer der Gründe, warum ich in Indien überzeugter Vegetarier bin. Und schön langsam Antialkoholiker. Kein Bier in Bihar und Umgebung sorgen für eine trockene Phase unglaublichen Ausmaßes bei uns. Alkoholgenuss ist bei hoher Strafe und Arrest strengstens untersagt.
Und schön langsam frag ich mich ob ihr euch fragt, warum wir überhaupt noch hier sind ? 

In Varanasi spüre ich das gelebte Nebeneinander nochmals verstärkt. Die heilige Stätte der Hindus schlechthin, wo der Ganges als der heilige Fluß verehrt wird. Hier zu baden reinigt von den Sünden, hier zu sterben bringt  die Gläubigen dem Ziel, das Nirvana zu erreichen, näher. 
An den so genannten Burning Ghats werden die Leichen öffentlich verbrannt. Fotografieren ist streng verboten, um 5€ pro Foto ist man aber trotzdem life dabei. Geld regiert die Welt, auch hier, am Ende des Lebensweges, gilt diese weltweit gültige Erkenntnis.
Ich spare mir das Geld aus mehreren Gründen. Auch kann kein Foto das Treiben und die Stimmung hier wiedergeben. 
Das Fließen des Wassers des Ganges scheint hier Pause zu machen, wie in einem See, so ruhig ist die Strömung im Bereich des russigen Ghats.  Schwarze Asche, sowohl das Ende des Lebens hier untrüglich zeigend, als auch die Voraussetzung und der Dünger für ein anderes Leben, vermischt sich mit dem schmutzigen Wassers des Flusses und schwimmt wie ein dicke Brühe oben drauf. 
Unmittelbar daneben wartet eine weitere Leiche auf einer Bahre auf ihr unausweichliches Schicksal, gerade eben von 6 Männern über die Stufen zum Ganges in eiligem Schritt heruntergetragen, gefolgt von einigen, sich unterhaltenden  Verwandten. Der Leichnam, ein Mann und daher in weiße Tücher eingewickelt, liegt auf einer schlichten Bambusbahre, glitzernde Folien und orange Ketten aus Tagetis, der heiligen Blume der Hindus, schmücken ihn schlicht auf seinem letzte Weg. Der  Tote wurde in das Wasser des heiligen Flusses gelegt, wird so hier zum letzten Mal symbolisch gewaschen. Dahinter wurde bereits ein Holzstapel aufgeschlichtet, wo in Kürze die öffentliche Verbrennung stattfinden wird.   
Ungewöhnlich gelassen betrachte ich die Vorbereitungen für die Bestattung, jedoch das Leben rund um das öffentliche Krematorium wirkt auf mich skurril. Neben der noch nicht mit Feuer entfachten Verbrennungsstelle zähle ich heute fünf, schon fast abgebrannte Scheiterhaufen. Ein Mann versucht mit einem langen Stock nochmals die optimale Hitze aus dem Feuer herauszuholen. Im kalten Wasser stehend sammelt ein anderer Mann mit nacktem Oberkörper  die herumschwimmende nasse Asche mit einem Eimer ein, ein weiterer schafft auf seiner Schulter zusätzliches Brennholz herbei. Inmitten des Geländes nützen Kühe und Büffel die Gelegenheit und fressen, um zu überleben, den auf der Erde liegenden Blumenschmuck der Verstorbenen. Kinder spielen lachend am Rande des Geschehens, lassen  Papierdrachen steigen, welche durch die aufsteigende heiße Luft optimale Bedingungen vorfinden. Ein weiterer Trupp, verantwortlich für den Verkauf und das Abwiegen des Brennholzes scheint gerade nichts zu tun zu haben und spielt konzentriert Karten. Einer wird gewinnen. Der Herzober sticht den Herzunter, das Spiel  ist aus. 
Die nächste Leiche wird die Stiege heruntergetragen, schnell und zielgerichtet. Kein Jammern oder Weinen ist zu hören. 
Die Karten werden neu gemischt, ein neues Spiel beginnt. 


All diese Zeilen beschreiben für mich das Leben hier in den armen Gegenden Indiens. Fast ein wenig romantisch mag es manchmal vielleicht zwischen den Zeilen klingen, welche ich Gedanken versunken nun niederschreibe. Es ist mir jedoch bewusst, dass das Leben hier alles andere als romantisch ist. Im Gegenteil, viele der Menschen da leben in einer unglaublichen Armut und kämpfen jeden Tag aufs Neue um ihr tägliches Brot. Ich bin überzeugt, dass meist nur der tiefe Glaube es Ihnen ermöglicht, ihr Schicksal zu ertragen. Die Romantik gesellt sich in den Zeilen nur dazu, für mich dazu, um das Gesehene und Erlebte auf meine Weise verarbeiten zu können. 

Donnerstag, 15. Dezember 2016

Varanasi

Varanasi

Am 4.12.2016 wollten wir mit dem Zug weiter nach Varanasi (ehemals Benares) und ich erwachte bereits mit Hals- und Gliederschmerzen. Glücklicherweise hatte uns Elfi in Bangkok mit einer Großpackung Parkemed versorgt, so war die Fahrt, zuerst mit dem Tuktuk nach Ghaya und von dort 10 Stunden mit dem Zug (excl. 4 Stunden im Warteraum wegen Verspätung) besser zu überstehen.
In Varanasi hatten wir ein sehr schönes Guesthouse direkt am Assi Ghat gebucht, "Ganges View", ein günstiges Zimmer im Erdgeschoss kostete allerdings stolze € 60,-- incl Frühstück. Von der Terrasse aus hatte man einen direkten Blick auf den Ganges. Während der Nacht ist es hier ruhig, allerdings nur bis 5:00 Uhr, dann beginnen die täglichen Gesänge, Rituale und Yogaübungen direkt neben dem Ghat.

Ghats nennt man die Treppen hinunter zu einem Gewässer (hier zum Ganges), die z. B. zum Waschen, Baden, als Bootsanlegestellen... aber auch auch als Verbrennungsstätten verwendet werden.
In der heiligen hinduistischen Stadt Varanasi gibt es 87 Ghats, aber nur wenige davon sind Verbrennungsghats.  

Nachdem ich die ersten zwei Tage krankheitsbedingt im Zimmer verbracht hatte, sich mein Allgemeinzustand aber nicht wirklich verbessert hatte (Denguefieber und Malaria waren durch eine Blutuntersuchung ausgeschlossen worden), wollte ich trotzdem raus und endlich etwas sehen von dieser berühmten Stadt. Das Wetter war leider nicht mehr so schön, wir hatten Nebel (war für Josef fototechnisch doppelt nervend!) und dadurch war es auch ziemlich kalt und feucht. Überall entlang des Ganges und in der Stadt sah man kleine Feuer an denen sich die Leute zu wärmen suchten. Sie hatten zwar Schals, Hauben, Tücher und Jacken, aber an den Füßen nur Flip Flops oder sie waren überhaupt barfuß. In ihren Unterkünften gibt es keine Heizungen, geschlafen wird auf Brettgestellen oder am Boden und so war es nicht verwunderlich, dass sehr viele Leute husteten, schnupften... , aber keine Möglichkeit hatten, sich in ein gemütliches Bett zu legen so wie ich und warmen Tee und Essen zu bekommen.

Was mich besonders interessierte waren die Verbrennungsghats. 
Der Tod wird in unseren Ländern oft verdrängt, nicht als Teil unseres Daseins anerkannt. Wir tun meist so, als würde er uns nicht betreffen, er gehört nicht zu unserem Leben und macht vielen Leuten Angst. Das ist hier sichtlich anders. Es gilt als großes Glück für die weiteren Leben und die Erlangung der Erleuchtung in der heiligen Stadt Varanasi zu sterben und so werden Kranke und Alte hierher gebracht. Es gibt auch "Hospize"( aber ohne Rundumbetreuung und Komfort :(  ) rund um das große Verbrennungsghat, in denen diese Leute auf den Tod warten (Angela, da gäbe es sehr viel Arbeit für dich!).
Natürlich war auch eine große Portion Neugier dabei, mir dieses Ghat und die Zeremonien anzusehen.
Oberhalb des Ghats gibt es riesige Holzhaufen aus verschiedenen Hölzern. Auf einfachen Waagen wird das Holz, das für eine Verbrennung benötigt wird abgewogen und der Preis wird je nach Holzsorte berechnet. Für eine einfache Verbrennung einer durchschnittlich großen Person werden etwa 40 kg Holz zu einem Gesamtpreis von € 8,-- benötigt.
Das Holz wird zur Verbrennungsstelle getragen (je nach Kaste direkt am Fluss (untere Kaste) bzw. oberhalb) und dort zu einem Stapel geschlichtet. Der Leichnam wird in weiße (Männer) bzw. bunte Tücher (Frauen) gehüllt, mit Blumengirlanden verziert und auf einfachsten Holztragen zum Ghat gebracht.  Dort wird die Trage auf den Boden gestellt und es dauert oft lange, bis der Körper auf das Holz gelegt wird. Über den Leichnam werden zwischen Füße und Hals nochmals Holzscheite gelegt und der älteste Sohn, dem zuvor  die Haare geschoren werden (dazu gibt es Haarschneider direkt vor Ort) entzündet das Feuer. Die Verbrennungen sind Arbeit der Mitglieder einer unteren Kaste.  Nach der Verbrennung kommt die Asche sofort in den Ganges.
Täglich werden am großen Verbrennungsghat 200 - 300 Leichen verbrannt.
Es stehen viele Holzhaufen nebeneinander, Leichen liegen am Boden, Kühe stehen überall herum und fressen die Blumengirlanden, Kinder spielen, Schlepper versuchen Touristen zu Plätzen mit besserer Aussicht zu bringen und Geld zu erhalten, indem sie den Leuten erzählen, ein Kilo Holz würde vier Euro kosten und die Armen brauchen Spenden für die Verbrennung,...  das ganz normale Leben.
Und ich war überrascht, es war weder gruselig für mich, noch war die Stimmung hier traurig.

Die Stadt Varanasi ist groß, schmutzig, geschäftig, voll von Armut, überall gibt es kleine und größere Tempel und Schreine, heilige Männer und viele Kinder.

Am 9. Dezember wollten wir mit dem Zug zurück nach Kolkata fahren, bekamen aber nur mehr für den 10.Tickets. Am 10. 12. war es noch immer so nebelig und die Züge hatten nach wie vor große Verspätung. Wir warteten dann aber viel länger als erwartet. Mit 27 Stunden Verspätung kamen wir in Kolkata an und in der nächsten Nacht um 01:55 Uhr flogen wir über Bangkok nach Vientiane in Laos.





Ein Ghat nach dem anderen ermöglicht den Zugang von
der Altstadt zum Ganges

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Leben und Wohnen am Ufer des Ganges



 Ghat im Bereich des muslimischen Viertels









Der ganze Uferbereich scheint ein einziger Hafen zu sein












Im hinteren Bereich des Verbrennungsghats wird das Holz deponiert



Kleine Schreine säumen die Gassen der Altstadt




Der Hinduismus mit seinen über 330 Millionen Gottheiten













Obwohl weniger vermüllt als Bodhgaya ist auch hier der Müll unübersehbar



Alltagsleben in der Stadt















Eine Feuerstelle spendet Wärme im Dezember
























Morgenstimmung in der Altstadt















Ein Junge, verkleidet als der heilige Gott Vishnu









Yogi und andere Praktizierende