Varanasi
Am 17.11.2022 fahren wir mit dem Zug weiter von Lucknow nach Varanasi.
Wir wohnen im Varanasi Homestay, ca 1,5 km von der Altstadt entfernt. Der Besitzer vertreibt schöne Schals, Saris und Stoffe in einem Geschäft im Haus, seine Frau kocht wunderbares Frühstück und Abendessen.
Varanasi ist unheimlich bunt, sehr laut und sehr spannend.
Die heiligste Stadt für Hindus hat ca. 1,4 Millionen Einwohner und liegt am heiligen Fluss Ganges.
Bereits vor sechs Jahren haben wir auf unserer damaligen Reise Varanasi besucht und Josef ist vor drei Jahren auch hier gewesen. Trotzdem wollen wir diese Stadt noch einmal sehen, sie ist faszinierend, für einige allerdings auch beängstigend, ist sie ja die Stadt des Sterbens.
Die drei wichtigsten Götter im Hinduismus sind Brahma, der Schöpfer, Vishnu, der Erhalter und Shiva, der Zerstörer. Varanasi ist die Stadt des Gottes Shiva.
Hierher kommen Gläubige, um im Ganges zu baden (Reinigung) und auch um hier zu sterben und verbrannt zu werden. Das soll sie aus dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburt erlösen.
Das Dashashwamedhgath ist das Hauptgath in Varanasi ( als Gath bezeichnet man den Zugang über Stufen zum Fluss). Ab den frühen Morgenstunden treffen hier hunderte Pilger und Touristen ein. Unter bunten Schirmen werden hinduistische Rituale abgehalten, viele Kerzen und andere Opfergaben verkauft, das Treiben ist bunt, laut und spirituell zugleich.
Viele der Gläubigen nehmen ein rituelles Bad im heiligen Fluss.
Natürlich trifft man hier auch jede Menge Sadhus. Diese führen ein streng asketisches, religiöses Leben. Gerne lassen sie sich gegen eine kleine Spende fotografieren.
Das bedeutendste Ghat für die Totenverbrennung ist das Manikarnika Ghat. Hier werden 24 Stunden jeden Tag im Jahr Leichen öffentlich verbrannt. Auf den Flächen direkt vor dem Fluss und in einem anschließenden Gebäude werden ständig Holzstapel für die Verbrennungen errichtet. Der Leichnam, in weißes Tuch eingewickelt, wird noch in ein farbiges Tuch gewickelt (rot für Frauen, gelb für Männer) und mit einem orangen Stoff und Blumen bedeckt auf eine Bambustrage gelegt.
Diese "Leiter" tragen die männlichen Verwandten zuerst zum Fluss und tauchen sie ins Wasser um den Körper zu reinigen, danach legen sie die Leiche auf den Boden bis ein Holzstapel frei ist.
Während der Wartezeit wird dem ältesten Sohn ( selten der ältesten Tochter, wenn es keinen Sohn gibt ) der Kopf rasiert. Die Friseure sitzen direkt auf den Stufen bzw. am Weg dorthin.
Sobald das Holz aufgehäuft ist, werden von der Leiche der Blumenschmuck und die farbigen Tücher entfernt und der Körper auf den Stapel gelegt. Dieser wird mit Butter, Kräutern und Sandelholzspänen bestrichen und mit weiteren Holzscheitern bedeckt. Sobald der älteste Sohn rasiert ist, holt er mit einem Strohbündel heiliges Feuer aus dem Haus, umrundet die Leiche 5x und zündet das Holz an. Die Verwandten warten, bis der Körper verbrannt ist. Das Holzfeuer ist nicht heiß genug, um die Leiche vollständig zu verbrennen. Der übriggebliebene Teil sowie die Asche werden im Anschluss dem heiligen Fluss Ganges übergeben und von den Fischen und anderen Tieren gefressen. Zuständig für die Verbrennungen sind Mitglieder der untersten Kaste.
Es gibt vier Hauptkasten in Indien. Jede Kaste wird in hunderte von Untergruppen, sogenannten Jatis aufgeteilt. Die Kastenzugehörigkeit wird durch die Geburt bestimmt.
In der obersten Kaste, den Brahmanen, waren ehemals die Priester und intellektuelle Elite, danach kommen die Kshatriyas, die Krieger und höheren Beamten, dann die Vaishyas, Händler und Kaufleute und als vierte Klasse die Shudras, Handwerker, Pachtbauern und Tagelöhner. Die "Unberührbaren", die Dalits, werden meist der vierten Kaste zugeordnet.
Grundsätzlich sind in Indien alle Benachteiligungen durch das Kastenwesen verboten. In den großen Städten sei es in den letzten Jahrzehnten wirklich besser geworden, erzählt man uns. Bildung zählt, nicht die Kaste. Auch wisse man oft nicht, welcher Kaste jemand angehöre, allerdings lasse sich teilweise die Kaste aus dem Namen ablesen. Und Bildung kostet Geld, auch wenn der Besuch der öffentlichen (schlechten) Schulen kostenfrei ist. Weit weg, am Land, sehe das leider teilweise ganz anders aus.
Viele der Dalits sind immer noch Analphabeten und können keine Gesetze lesen, Formulare ausfüllen... Berufe für diese Gruppe sind alle, in denen man mit Dreck und Müll zu tun hat, auch die einfachen Straßenfriseure gehören dazu.
Köche in guten Restaurants müssen einer oberen Kaste angehören, da sie mit dem Essen für die gehobenen Kasten in Berührung kommen.
Der Führer, mit dem wir am dritten Tag in Varanasi einen Stadtspaziergang machen, erzählt uns viel über die sozialen Probleme. Wir gehen durch farbenfrohe und dreckige Viertel und sehen viele interessante kleine und größere Tempel. Diese sind hauptsächlich Gott Shiva gewidmet. Wir lernen die Symbole kennen, die auf ihn hinweisen, wie z.B. der Bulle, sein Transportmittel.
Wir wollen uns auch den Goldenen Tempel ansehen. Dafür muss man sich mit dem Reisepass registrieren und eine Eintrittskarte kaufen. Wir stellen uns in die lange Schlange, geben aber nach 30 Minuten, in denen wir keinen Meter weitergerückt sind, auf.
Rund um den Tempel sind 200 Häuser abgerissen worden und neue, schöne Gebäude entstanden. Die Bewohner sind zwar angeblich finanziell nicht schlecht entschädigt worden, müssen aber nun weit außerhalb wohnen. Für viele ist es schwer zu akzeptieren, dass sie den heiligsten Tempel nur mehr schwer erreichen können.
Am zweiten Tag fahren wir mit dem Taxi in das 12 km entfernte Sarnath. In diesem Ort soll Buddha nach seiner Erleuchtung die erste Predigt gehalten haben. Es ist ein besonderer Feiertag und der Eintritt in alle Anlagen und das Museum ist gratis, entsprechend viele Leute sind hier, leider. Wir müssen wieder für unzählige Fotos lächeln und finden nirgends ein ruhiges Plätzchen. Das tibetische Kloster ist an diesem Tag für Besucher gesperrt, da ein hoher Lama erwartet wird. Insgesamt ist die Fahrt nach Sarnath nicht wirklich befriedigend.
Varanasi ist eine so beeindruckende Stadt voller Leben und auch Sterben, das ja auch zum Leben gehört, wir verdrängen das nur gerne. Hier verliert es an Schrecken.
Vielleicht denkt sich manch einer, wir wollen uns ergötzen an diesem "Spektakel" der Verbrennung. Zu einem Teil wird das wohl auch stimmen, es ist spannend und interessant. Trotzdem versuchen wir das Erlebte und Gehörte als Teil der Kultur und Religion dieses Landes zu verstehen.
Nach den vielen Erlebnissen in den Städten in Indien und der langen Reise sind wir schon etwas müde und wollen die letzten 9 Tage in Goa am Strand verbringen, bevor wir am 2. Dezember von Mumbai nach München fliegen.
Für den 24. Jänner ist allerdings bereits der Rückflug nach Mumbai gebucht und wir wollen in Indien weiter in Richtung Süden reisen.
Wir wünschen ein wunderbares, friedliches Weihnachtsfest und freuen uns, wenn ihr uns im neuen Jahr 2023 wieder auf unserer Reise begleiten werdet.
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