"Südsee"
Nun sind wir also in Artybas gelandet, direkt am Nordende des Teleckoje Sees gelegen. Traumhaftes Wetter, fast wolkenlos, lässt unsere Stimmung nochmals weiter anheben. Wir übernachten im Zelt, zum ersten Mal auf unserer Reise. Der See spiegelt dunkelblau das Abendlicht wieder, trotz des nur 20 Grad kalten Wassers schwimme ich am Abend noch eine Runde. Fast schon kitschig trinken wir vorm Schlafengehen noch Bier, ein Lagerfeuer spendet uns Wärme und unsere Zeltnachbarn, 2 Lehrerinnen aus Bijesk, leisten uns Gesellschaft und singen für uns russische Lieder in die sternenklare Nacht hinein.
Sollen wir hier länger bleiben? Schön wärs ja - oder? Nein - oder doch?
Wir entscheiden uns fürs Weiterfahren am nächsten Morgen - zu verlockend sind die Aussichten auf das Abenteuer mit dem Boot über den 80 km langen See zu fahren, welcher nur von Bergen, Wasserfällen und Wäldern umgeben ist, keine Straße die von hier nach dorthin führt. Hinunter in den Süden des Sees, quasi zur Südsee. Auch einen Strand verspricht der Reiseführer, naturbelassen mit ein wenig Infrastruktur. Nicht zu viel, aber immerhin. Wahrscheinlich werden wir auch dort wieder im Zelt übernachten, Lagerfeuer, Biertrinken, singen …. und das herrliche Wetter geniessen.
Aufbruch am Morgen um 9 Uhr, kalter fast schon herbstlicher tiefliegender Morgennebel umgibt uns. Glauben wir zumindest, jedoch 20 Minuten später fängt es zu regnen an. Auch beim Besuch eines Wasserfalls werden wir nass vom Nass der Regenwolken und nicht vom Wasser des Wasserfalls.
3 Stunden nach der Abfahrt erreichen wir unsere „ Südsee". Naturbelassener 2 km langer Strand ja, bedeutet jedoch auch 2 km naturbelassenes Schwemmholz teilt sich den Strand mit dem feinen grauen naturbelassenen Strandsand. Auch der leichte Regen trübt die Stimmung zusätzlich.
4 Pickups warten auf die mit uns Reisenden, welche, es scheint so, fluchtartig den Ort verlassen, von den 2 Booten welche uns hierher brachten ist auch weit und breit nichts mehr zu sehen. Stille.
Unschlüssig stehen wir nun da mit unseren 4 Rucksäcken gefüllt mit 60 kg Reisegepäck. Nur nicht den Mut verlieren,
trinken wir erstmal irgendwo einen Kaffe bevor wir eine Bleibe suchen, den zelten kommt hier nicht in Frage.
Wir gehen ein Stück, sehen 3 ausrangierte alte LKW´s aus der sowjetischen Vorkriegszeit, einen angeketteten bellenden Hund und daneben ein desolates Haus. Zwei gut trainierte Frauen in militanter Kleidung kommen gerade aus dem Haus und gehen auf uns zu. Ob die beiden nun von der Naturwacht sind oder ihren Militärdienst hier versehen kann ich nicht einschätzen, auf alle Fälle strafversetzt, denke ich.
Wir stellen 3 unterschiedliche Fragen, es gibt 3 gleiche Antworten - njet. Nicht unfreundlich, nur einfach njet
Cafe ? - njet
Brot, Mineralwasser, Lebensmitteln ? - njet
Taxi? - njet
Wir erfahren also von ihnen, das es hier praktisch gar nichts gibt, weder ein Taxi, welches uns irgendwo hinbringen könnte, noch ein Geschäft wo man was einkaufen kann oder eine ordentliche Unterkunft.
Das Einzige, was sie uns anbieten können sei Bier und eine Schlafgelegenheit in einer kleinen Holzhütte, das sei aber laut ihrer Aussage nur etwas für „extrem tourism“. In Anbetracht der fehlenden Alternativen nehmen wir das Angebot an, eine Autobatterie mit einer 12 Voltlampe spendet uns spärliches Licht.
So, jetzt haben wir also genau dass, was wir eigentlich oft suchen - Abenteuer, keine Infrastruktur, von der Zivilisation trennen uns entweder 80 km übers Wasser oder 120 km über eine Staubstraße! Aber so richtig wohl fühlen wir uns nicht dabei, und außerdem muss das unbedingt mitten in Sibieren sein?
Aber es gibt einen Lichtblick - wir erfahren von ihnen, dass es in 8 km Entfernung eine kleine Ansiedlung gibt, wo man in einem kleinen Magazin etwas einkaufen kann. Wären also hin und retour 16 km, dass schaffen wir bis zum Dunkelwerden, wir marschieren los.
Kurz vor dem Dorf holt uns zum Glück ein junger Fahrer mit einem Geländewagen ein, welcher uns mitnimmt und nach dem Einkauf auch wieder zurückbringt. Renate packt wieder ihre sehr wichtigen Russischkenntnisse aus und schon wird der Fahrer für den nächsten Tag engagiert.
Wieder zurück in der Einsamkeit fachen wir ein Lagerfeuer an, essen das Spärliche, was wir im Dorf bekommen haben und warten bis 20 Uhr, denn da soll es, das von den Söldnerinnen versprochene Bier geben.
So nun kommt es - nicht nur Bier können sie uns nun anbieten, sondern nun doch auch Brot und auch gekocht haben sie für uns, es gibt eine warme Suppe und wenn wir wollen können sie uns auch einen Fisch braten.
Also super, aber warum haben sie uns vorher ins Dorf marschieren lassen? Doch hätten wir sonst unseren Fahrer für die nächsten Tage kennengelernt, welcher uns zuverlässig mit seinem nicht ganz mehr so zuverlässigen Gefährt durch das schöne einsame Tal wieder in die Zivilisation zurück bringen wird? Aber das ist eine andere Geschichte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen