Sonntag, 26. Februar 2017

Wieder so a Gschichtl


Phnom Penh, Jänner 2017
Minus 15 Grad im fernen Seekirchen, plus 30 Grad in Kambodschas Hauptstadt.  
Sommerlichen Temperaturen in der Winterzeit, ungewohnt, aber ich muss schon sagen, gar nicht übel. 

Trotzdem, etwas lustlos wandere ich an diesem Vormittag in der Stadt herum, Renate, meine treue Begleiterin, lässt sich gerade in einem Massagesalon verwöhnen. Mein zweiter treuer Begleiter, meine Kamera , war heute noch gar nicht im Einsatz. Keine Motivation, keine Motive sichtbar, kreativer Stillstand. 
Ein kleines, etwas schmuddeliges Strassencafé am Eck lädt zum Verweilen ein, warum auch nicht. Es gibt viel zu sehen, ich sitze auf einem roten Plastikstuhl vor einer Cola und es ist interessant, das bunte Treiben am angrenzenden Gemüsemarkt zu beobachten.   
Ein Mann grüßt freundlich, geht vorbei, kommt zurück und fragt woher ich denn komme. Er freut sich als er hört, ich sei aus Österreich und spricht sogar ein paar Worte Deutsch. Er erzählt mir, dass seine Schwester im März nach Österreich fliegen will um dort als Krankenschwester zu arbeiten. Erkundigt sich, ob es nun in meiner Heimat wirklich momentan so kalt und ungemütlich ist und ob dies in dieser Jahreszeit in Österreich normal sei. Nach ein paar Minuten trennen sich unsere Wege wieder.

2 Tage später, der Park vor dem Königspalast ist voller Leute. Nach einem Museumsbesuch vereinbare ich mit Renate, dass wir uns um ca. 19 Uhr im Hotel wieder treffen. Mit meinem zweiten treuen Begleiter spaziere ich den mit Menschen gespickten Park entlang.  
Erinnerungen an die Heimat werden geweckt, als ich vor dem Palast aus einer großen Anzahl an Fahnenstangen auch die RotWeißRote Flagge entdecke. Etwas nachdenklich stehe ich davor, als mich ein Mann freundlich begrüßt, in gebrochenem Deutsch. Etwas erstaunt am Anfang erkenne ich jedoch den Mann wieder, dessen Schwester demnächst nach Österreich fahren will. 

Er fragt mich, ob ich denn nicht etwas Zeit hätte mit zu ihm zu fahren, um vielleicht seiner Schwester ein paar Ratschläge für die Reise in meine Heimat mitgeben zu können - sie würde sich sicher sehr freuen und es sei ja nicht weit. Ich überlege kurz, willige ein und schon sitze ich zwischen dem Fahrer und ihm in der Mitte eines Mopeds und wir rasen in Richtung „keine Ahnung“. 
Während der Fahrt erzählt er mir einiges über Kambodscha, dass es noch vor 5 Jahren in Phnom Penh nicht ungefährlich war, mit so einer Kamera wie ich sie besitze herumzuwandern, zu groß war die Gefahr eines Überfalls. Die Korruption war ungleich höher als heute, Diebstahl an der Tagesordnung. Gottseidank hat sich das geändert, der Staat hat Verantwortung übernommen und kümmert sich nun um seine Bürger. Viele Leute arbeiten in einem Staatsbetrieb und so hat fast jeder genug zum Leben, Gaunereien sind eher die Ausnahme geworden. 

Es sei nicht weit, ist zwar ein dehnbarer Begriff, aber nach 10 Minuten rasanter Fahrt durch die Stadt werde ich doch ein wenig misstrauisch. Er bemerkt meine aufsteigende Unruhe, beruhigt mich mit den aufmunternden Worten "don´t worry“ und wirklich, kurze Zeit danach erreichen wir sein Haus.
Wir befinden uns in einer gut situierten Gegend, viel grün, schöne Häuser sind in der Nachbarschaft zu sehen und auch sein Haus macht einen sehr gepflegten Eindruck. Seine Frau begrüßt mich herzlich, schien mich zu erwarten. Da jedoch die Schwester noch nicht da ist, werde ich ins Wohnzimmer eingeladen, wo bereits sein Onkel auf mich wartet. 

Der Onkel, etwas hager aber rüstig für seine 72 Jahre, macht auch einen sehr sympathischer Eindruck. Er sieht die Situation und das Leben hier nicht so rosig wie sein Neffe, im Gegenteil. Zum Beispiel gibt es keine Pensionsversorgung vom Staat und darum sei er auf die Unterstützung der Familie angewiesen. Zusätzlich arbeite er trotz seines Alters als eine Art Croupier in einem kleinen Casino hier in der Stadt. Dort würde Blackjack gespielt, oft um viel Geld. 
Doch dieses Geld sei ja nicht das seine, sondern das Geld reicher Leute aus Singapur, Vietnam oder Bahrain, für die ein paar 10.000 $ mehr der weniger keine Rolle spielen. 
Da er nun jedoch schon ein gewisses Alter erreicht habe und sein Wunsch nach Europa und vor allem nach Paris zu reisen sich bis dato vor allem aus finanziellen Gründen nicht erfüllt hat, hätte er so eine Idee, meint er mit einem von Fernweh geplagten Blick. 

In der Zwischenzeit ist auch die Schwester, die zukünftige Krankenschwester im LKH Salzburg, angekommen. Nun ja, was soll ich sagen, für meine Verhältnisse ziemlich jung, welche, das Aussehen betreffend, von der Natur ziemlich bevorzugt behandelt worden ist. Kurz nachdem sie mich freundlich begrüßt hat, wird im Wohnzimmer zu meiner Überraschung der Tisch gedeckt. 
Für zwei, nur für uns zwei. 
Das Essen wird von ihrer Schwägerin serviert und dann lässt man uns diskret alleine. Nun sitze ich da, beim Dinner zu zweit mit einer nicht uncharmanten Kambodschanerin.  
Nara, 32 Jahre Jahre jung, könnte also, natürlich nur das Alter betreffend, auch meinen Tochter sein. Ich, etwas beeindruckt von ihrem Charme, sie offensichtlich unbeeindruckt von meinem Alter, glaube einen leisen Hauch von einem Flirt zu bemerken. Man wäre kein Mann, wenn man sich nicht etwas geschmeichelt fühlen würde. Doch andere Länder, andere Sitten - also nicht überbewerten. 
Hühnchen und Fisch knusprig gebraten, dazu Reis und frischer Gurkensalat schmackhaft zubereitet. Wir plauderten ein wenig, ich beantwortete ihre Fragen Österreich betreffend und sie erzählte mir über ihre Träume im fernen Europa ein neues, besseres Leben anfangen zu wollen und dabei ihre Familie nicht zu vergessen. 
Nach dem Essen, die Zeit vergeht sehr schnell, begleitet mich Nara in ein Hinterzimmer, wo der Onkel bereits auf uns wartet. Vor ihm liegen auf einem Tisch einige Spielkarten und Casinojetons.  

Onkel Kambodi klärt mich nun auf, wie er das vorhin gemeint hat mit „ Er hätte da so eine Idee“.  Nun also er, derjenige welcher ja die Karten als Croupier fest im Griff hat, weiß genau, welche Karten dem Gegner serviert werden und welche Karte als nächste Karte ausgespielt wird.  Diesen, seinen äußerst vorteilhaften Wissensvorsprung will er mir mittels Handzeichen und Gesichtsmimik mitteilen. Somit ist es quasi spielend leicht, dem Gegner sein sowieso überschüssiges Geld aus der Tasche zu ziehen. 
Fair zwar, aber nicht ganz gratis sei für mich der Deal, denn 20% meines Gewinnes muss ich nach einem erfolgreichen Spieleabend  an den Onkel abliefern. Sind bei 50.000$, meint er, 10.000 Dollar für ihn und somit ist Paris schon ein ganzes Stück näher gerückt.  Doch natürlich müssen die Tricks vorher eintrainiert, das Zusammenspiel perfektioniert werden. Hier im Hinterzimmer ideales Umfeld zum Üben. Und bereits morgen könnten wir das Gelernte in bare Münze umsetzten. 

Meiner Rolle als zukünftiger Betrüger und reicher Mann bewusst, lerne ich konzentriert alle wichtigen Tricks, weiß schnell die Handzeichen und Gesichtsmimik des netten Onkels zu deuten, welche mir sowohl die Karten des Gegners als auch die nächste Karte im Spiel verraten. 
Nara sitzt neben mir, gibt mir zusätzliche Tipps und muntert mich auf, wenn ich was falsch mache. Erkenne ich die Zeichen richtig, werde ich mit einem Lächeln belohnt, meine Arme zufällig  zärtlich berührt.
Gerührt von soviel Vertrauen versuche ich natürlich so schnell als möglich keine Fehler mehr zu machen. Und ich bin nicht schlecht, schon nach kurzer Zeit fast schon perfekt. 
Und doch hat hier alles einen großen Haken. Denn ich kann in allen Ehre von mir behaupten, dass ich erstens Casinos und Glückpielen grundsätzlich aus dem Weg gehe und zweitens so was von überhaupt nicht zu einem Ganoven tauge. 

Daher naheliegend, dass die Nervosität und Unruhe in mir steigt, von Minute zu Minute immer mehr. Nicht nur wegen der Folgenden für mich wichtigen Frage: Wie komme ich aus diesem mir selbst eingebrockten Schlamassel schnell wieder heraus, sondern auch wegen Nara, welche immer zutraulicher wird. 

Jedoch ist das Glück auf meiner Seite, denn meine neuen Freunde machen einen entscheidenden Fehler. Sie gehen einfach zu weit, werden gierig. Zufällig, meinen sie,  ist nämlich gerade ein „Kunde“ aus Singapur im Haus eingetrudelt. Derjenige bevorzugt es nun, nicht in einer Spielhölle, sondern in privater Atmosphäre ein paar seiner nicht mehr unbedingt  benötigten Dollar zu verlieren. Sozusagen als Übung für den sehr wichtigen morgigen Tag solle ich nun dem privaten Spiel mit dem reichen Geschäftsmann beiwohnen und damit wertvolle Erfahrung sammeln. Ich müsse ja vorerst nicht mitspielen, das würde statt mir meine gerade erst kennengelernte Gaunerbraut machen, ja und später am Abend, wer weiß, könne ich bereits meine erste Kohle verdienen. 

Mit der Begründung, dass mir das nun entschieden zu schnell gehe, ziehe ich mich freundlich aber bestimmt aus dem fragwürdigen Geschäft zurück. Überraschend verständnisvoll ist die Reaktion, obwohl sie es nicht ganz verstehen, auf so leicht und schnell verdientes Geld ohne weiteres verzichten zu wollen. 

Rasch verlasse ich das Haus, ignoriere die Frage ob ich nicht doch noch ein paar Dollar für Omas Medikamente spenden könne. Als sich in mir danach ein wenig schlechtes Gewissen breitmacht, habe ich doch nicht einmal das vorzügliche Abendessen bezahlt, fällt mir die in der Garage stehende Lexus Großraumlimousine ein. 
Schade oder nicht, nie werde ich erfahren, wer dieses teure Auto finanziert hat - deutschsprachige, leichtgläubige Urlauber oder doch reiche, spielsüchtige  Millionäre?  
















2 Kommentare:

  1. Lieber Josef,
    da muss ich Dich jetzt, als große Schwester, schon schimpfen. Ich bin ja auch nicht gerade ängstlich, aber dieses Geschichterl scheint mir schon etwas unvorsichtig. Ich frage mich auch noch, wie bist Du dann wieder zurückgekommen?
    Liebe Grüße an euch beide und passt auf Euch auf!!
    Anita

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    1. Meine liebe Schwester,

      die Leute in Kambodscha sind wirklich das freundlichste Volk, welches wir bisher auf unserer Reise kennengelernt haben. Daher auch die offensichtliche Leichtgläubigkeit von mir, doch ich habe mich auch bei diesem Erlebnis nie in Gefahr gefühlt. Trotzdem sehr nett von dir, dass du dich um mich sorgst. Retour bin ich mit dem selben Mopedfahrer, der mich auch hinbrachte hatte, gefahren. Also, sogar im Falle eines nicht erfolgreichen Geschäfts bleiben sie freundlich und lassen einem nicht im Stich.

      Ganz liebe Grüße an alle

      Josef

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